Auch wenn COVID-19 einen ziemlich starken Einfluss auf unseren Zeitplan und unser Leben nimmt… Ein Unterbruch wie dieser hat nicht nur Nachteile.
Wir haben Zeit, uns über wichtige Dinge Gedanken zu machen.

Helfen ist trotz guter Absichten nicht immer gut:
Stell dir einmal den Vater, der durch die Päckliaktion beschenkten Kinder vor… Alleine der Fakt, dass seine Familie als „beschenkenswürdig“ ausgewählt wurde, zeigt ihm seine schlechte Lage auf und entwürdigt ihn gegenüber seinen Kindern. Er selbst kann ihnen nämlich keine solch „schönen“ Geschenke machen.
Eine weitere Herausforderung sind geschaffene Abhängigkeiten von internationaler Hilfe: Lehrer, „Missionare“, Ingenieure etc., ohne welche die erstellten Infrastrukturen/Prozesse nicht mehr funktionieren oder unterhalten werden können, wenn diese wieder in ihre Ursprungsländer zurückkehren.

Humanitäre Hilfe benötigt notleidende Menschen. Ohne diese Not ist humanitäre Hilfe nicht nötig. Aber wäre das nicht das Ziel? Ist das nicht der Punkt von humanitärer Hilfe?
Im Grunde genommen sollte das Ziel von Hilfswerken sein, so schnell als möglich nicht mehr benötigt zu werden. Jobs in diesem Industriezweig würden dann aber aufhören zu existieren. Und plötzlich ist da ein Interessenkonflikt. Zudem: Helfen tut doch so gut (und ist grundsätzlich auch nichts Schlechtes)!
Hinzu kommt, dass sich die Helfer im Gastland einrichten müssen, insbesondere diejenigen, die länger bleiben. Schwieriger wird das wegziehen und umso mehr verschärft sich der Interessenskonflikt…
Wer ist nun von wem abhängig?

Rasch verfällt man dem Gedanken, dass was für unsere westliche Kultur wichtig ist, in anderen Kulturen ebenfalls wichtig sei. Unsere Ansicht von Armut beeinflusst uns: Ist Armut nur das Fehlen von materiellen Gütern? Oder beinhaltet Armut auch das Fehlen menschlicher Würde, eine Stimme in der Gesellschaft zu haben?

Effektive Hilfe zu leisten, benötigt ein hohes Mass an Selbstreflexion, der Möglichkeit den Einfluss zu messen und zu steuern sowie auch an Willen, so bald als möglich wieder einen Schritt zurückzustehen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das allbekannte Zitat:

Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.

Ich glaube, beim ersten Satz sind wohl alle damit einverstanden, dass dies Abhängigkeiten schafft. Aber wie ist es mit dem zweiten? Ja, er fischt selber. Aber wer liefert ihm die Angelrute und die Haken? Die Hilfsorganisation, die ihm das Fischen beigebracht hat?
Und da es ja noch andere hungrige Mäuler gibt an diesem See, beginnt die Hilfsorganisation auch diesen, das Fischen beizubringen. Und am Ende ist der See leergefischt, die Hilfsorganisation ist immer noch dort und verteilt nun wieder Fische, um die nun erneut hungrigen Mäuler zu stopfen.
Erfolgreiche Hilfe findet nur statt, wenn die Gesamtsituation und v.a. die dort lebende Bevölkerung als Ganzes einbezogen wird, ihre Ressourcen und Bedürfnisse. Es ist nicht möglich, sich nur auf einen einzelnen Aspekt der «Armut» zu fokussieren.

Wie nachhaltig ist unser Engagement bezüglich der Hilfe, die schlussendlich ankommt?
Rein die Anzahl Flüge ist nicht entscheidend. Es ist auch nicht entscheidend, wie abgelegen die Leute wohnen. Entscheidend ist, welchen langfristigen Einfluss wir auf die betroffenen Personen und deren Familien haben. Nicht nur Simon als Pilot, sondern auch Daniela in ihrem Umfeld, wir als ganze Familie, MAF als gesamte Organisation.
Wie können wir unsere Stärken optimal einsetzen, so dass nicht nur die Effektivität, sondern auch die Effizienz zum Tragen kommt?

Das sind interessante, aber auch kritische Fragen, die uns im Moment sehr stark beschäftigen und wahrscheinlich noch weiter beschäftigen werden.

Durch COVID-19 sind wir vorerst in den USA parkiert. Fast alle Länder haben Einreisebeschränkungen auf unbestimmte Zeit. MAF überwacht die Situation in den Programmen regelmässig.

Für uns ist alles offen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.


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